Der Bremsweg ist im Straßenverkehr eine wichtige Kenngröße und wird definiert als Weg, den das Fahrzeug benötigt, um von der momentanen Geschwindigkeit auf die gewünschte zu kommen. Oft wird der Bremsweg unterschätzt, was dazu führt, dass Fahrer bei hohen Geschwindigkeiten den Sicherheitsabstand vernachlässigen. Das Wissen, wie man den Bremsweg berechnet und welche Faktoren ihn beeinflussen, kann Leben retten, deswegen wollen wir die wichtigsten Aspekte für Sie heute einmal näher beleuchten.
Bremsweg, Anhalteweg, Sicherheitsabstand
Wer frisch aus der Fahrschule kommt, wird sich an diese drei Begriffe vielleicht noch erinnern, denn sie sind ein elementarer Bestandteil jeder Fahrprüfung. Grundsätzlich ist es empfehlenswert, zu wissen was sie bedeuten und wie man die damit verbundenen Formeln, bei denen es sich um sogenannte „Faustformeln“, also simplifizierte Annäherungen handelt, richtig anwendet.
Der Bremsweg ist sozusagen das „Hauptthema“ und es gibt gleich zwei Varianten, nämlich die Normalbremsung und die sogenannte Gefahrbremsung. In einer Gefahrensituation wird das Bremspedal voll durchgedrückt, was die Bremskraft erhöht und damit den Bremsweg verringert. Trotz Gefahr trauen sich viele Fahrer nicht, das Bremspedal voll durchzudrücken. Deswegen sollte dies in regelmäßigen Abständen geübt werden. Je nachdem, ob es sich um eine normale oder eine Gefahrenbremsung handelt, verändert sich die genutzte Formel. Für normale Bremsungen gilt:
Bei einer Geschwindigkeit von 70 Km/h wäre der Bremsweg also 49 Meter lang. |
Bei Gefahrbremsung wird folgende Formel angewandt: |
1. Bremsweg(Gefahr) = 1/2 x (Geschwindigkeit/10 x Geschwindigkeit/10) |
2. Wieder bei 70 Km/h wäre der Bremsweg diesmal nur 24,5 Meter lang. |
3. Bremsweg = Geschwindigkeit/10 x Geschwindigkeit/10 |
Anmerkung: Diese Formeln lassen sich nur anwenden, wenn die Fahrbahn trocken ist und man mit für den Straßenverkehr tauglichen Reifen mit genügend Profil fährt.
Der Anhalteweg beinhaltet den Bremsweg, betrachtet aber den kompletten Bremsvorgang, der die Reaktionszeit, die Ansprechzeit und die Schwellzeit berücksichtig. Generell sagt der Anhalteweg aus, wie viel Weg benötigt wird, um in einer Gefahrsituation zum vollständigen Stillstand zu kommen. Der Grund, warum man in diesem Fall nicht einfach den errechneten Bremsweg benutzten kann, liegt auf der Hand: Während der Zeit, die benötigt wird, um die Gefahr zu erkennen und zu reagieren fährt das Fahrzeug mit konstanter Geschwindigkeit weiter. Zwar handelt es sich hierbei nur um Zehntelsekunden, der Unterschied wird aber deutlich, wenn man die beiden miteinander vergleicht:
Anhalteweg = Reaktionsweg + Bremsweg (Gefahr) |
Anhalteweg = Geschwindigkeit/10 x 3 + [1/2 x (Geschwindigkeit/10 x Geschwindigkeit/10)] |
Bei 70 Km/h ergibt sich aus unserem vorherigen Beispiel ein Bremsweg von 24,5 Metern, aber ein insgesamter Anhalteweg von 45,5 Metern. Ein Wert, der beinahe dem Doppelten entspricht. Dies ist einer der Gründe, warum der Anhalteweg so oft unterschätzt wird.
Der Sicherheitsabstand ist in diesem Zusammenhang die letzte Kenngröße. Er muss so groß gewählt werden, dass er mindestens dem Reaktionsweg entspricht. Früher galt die Faustregel „halber Tacho“. Diese kann auch heute noch angewandt werden, aber sie gilt nur dann, wenn die Fahrbahn trocken und die Sicht auf das vorausfahrende Fahrzeug nicht behindert wird. Die neuere Formel, die solche Faktoren berücksichtigt sieht folgendermaßen aus:
Sicherheitsabstand = Geschwindigkeit x Faktor(Ort) x Faktor(Witterung)/4 |
Für die Faktoren Ort und Witterung werden verschiedene Werte eingesetzt. So ist der Faktor(Ort) in einer geschlossenen Ortschaft 1 und außerorts bzw. auf der Autobahn 2. Für den Faktor Witterung kann man bei trockener Fahrbahn 1 einsetzen, bei Regen 1,5 und bei Schnee 4. Daraus ergibt sich bei 70 Km/h außerorts auf trockener Fahrbahn ein benötigter Sicherheitsabstand von 35 Metern, was in diesem Beispiel tatsächlich genau dem halben Tacho entspricht und sogar größer als unser berechneter Reaktionsweg ist.
Wer möchte, kann sich zu diesem Thema das vom ADAC herausgegebene PDF „Verkehr und Mathe – Anhalteweg“ durchlesen, wo dies noch einmal ausführlicher erklärt wird.
Was kann den Bremsweg beeinflussen?
Verschiedene Faktoren können den Bremsweg verlängern oder verkürzen. Das sind einerseits die technischen Merkmale des Fahrzeugs und andererseits die örtlichen Bedingungen. Erstere kann man aktiv beeinflussen, Letztere nicht. Folgendes sollten Sie als Fahrer beachten:
1. Die Bremsanlage – Die Bremsanlage hat einen deutlichen Einfluss auf die Bremswirkung und damit den Bremsweg. Sie sollte immer im guten Zustand sein und regelmäßig gewartet werden. Stark verschlissene Bremsscheiben und -Beläge verringern den Reibungskoeffizient und können im Extremfall den Bremsweg verdoppeln. Das passiert selbstverständlich nicht in einem Rutsch, sondern langsam und allmählich, kann im Ernstfall aber den Ausschlag geben zwischen einem Unfall und einem Beinahe-Unfall. Im Rahmen der Hauptuntersuchung bei TÜV und DEKRA muss die Bremsanlage alle zwei Jahre geprüft werden. Vielfahrer sollten alle 30.000 Kilometer in die Werkstatt, um diese prüfen und gegebenenfalls erneuern zu lassen. Der Unterschied zwischen Trommel- und Scheibenbremsen kann in puncto Bremskraft übrigens vernachlässigt werden.
2. Die Reifen – Auch die Reifen sind ein Faktor, der einen großen Einfluss auf den Bremsweg hat und vom Fahrer selbt beeinflusst werden kann. Entscheidend ist das Profil. Zwar würde in der Theorie ein Reifen, der gar kein Profil hat am besten bremsen, was der Grund ist, warum Formel-1-Fahrzeuge mit sogenannten „Slicks“ ausgestattet werden, sobald aber die Fahrbahn nicht mehr optimal, also verdreckt oder gar nass ist, sieht das völlig anders aus. 1,6 Millimeter Profiltiefe sind vorgeschrieben, obwohl die Empfehlung von Experten deutlich höher, nämlich bei 3 Millimetern liegt. Nur dann ist ein konstanter Bremsweg gewährleistet. Das höchste Risiko geht ein, wer komplett falsche Reifen nutzt, also auf Schnee mit Sommerreifen oder im Sommer mit Winterreifen fährt. Im ersten Fall ist möglicherweise überhaupt keine Bremsung möglich, im zweiten Fall droht ein Reifenplatzer und damit der Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug.
3. Wetter und Fahrbahnzustand – So sehr man sich immer eine trockene, gut asphaltierte Fahrbahn bei angenehmen Temperaturen wünscht, man kann diese Faktoren nicht beeinflussen. Aber man kann seinen Fahrstil dem Wetter und den Begebenheiten anpassen, indem man den Sicherheitsabstand erhöht und die Geschwindigkeit reduziert. Vielen Autofahrern ist gar nicht klar, wie sich der Bremsweg mit unterschiedlichen Witterungen verändert, deswegen hier ein Beispiel:
- Bei 100 Km/h beträgt der Bremsweg auf trockener Fahrbahn 48 Meter.
- Bei nasser Fahrbahn erhöht sich der Wert auf 77 Meter.
- Bei schneebedeckter Fahrbahn erhöht sich der Wert auf 192 Meter.
- Bei eisglatter Fahrbahn erhöht sich der Wert auf 385 Meter.
Der Unterschied ist also unwahrscheinlich groß. Gerade im Winter ist es wichtig, sachte und vorausschauend zu fahren, denn im Ernstfall ist eine Notbremsung tatsächlich kaum noch möglich.
4. Die Steigung – Was im innerstädtischen Verkehr – außer man wohnt in San Francisco – wohl meist zu vernachlässigen ist, kann vor allem auf der Fahrt zum Urlaub oder bei Besichtigungstouren ein Faktor sein, nämlich die Steigung bzw. das Gefälle der Straße. Fährt man eine Steigung hinauf, verkürzt sich der Bremsweg, weil das Fahrzeug entgegen der Steigung arbeiten muss. Beim Gefälle ist das genau umgekehrt und bei gleicher Bremskraft erhöht sich der Bremsweg. Es gibt dazu eine Formel, jedoch ist die wesentlich komplizierter als die gebräuchlichen Faustformeln. Merken sollte man sich aber, dass ein Gefälle in jedem Fall zu einer Verlängerung des Bremswegs führt und man daher den Sicherheitsabstand erhöhen sollte.
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Progressives und degressives Bremsen
Zwei Wörter, die man im Zusammenhang mit dem Bremsweg öfter mal hört und die spätestens in der Fahrschule näher behandelt werden, ist die Art der Bremsung, genauer gesagt progressives und degressives Bremsen. Beide haben ihre Vor- und Nachteile und es scheint, als gäbe es unter den Fahrlehrern keine wirkliche Präferenz, welche Methode denn „richtiger“ ist.
– Progressives Bremsen bedeutet, die Bremse zunächst sanft und dann immer stärker durchzudrücken, bis das Fahrzeug zum Stillstand gekommen ist. Zu erkennen ist diese Methode am typischen „Ruck“, der durch das Fahrzeug geht, kurz bevor es zum Stillstand kommt, da der Fahrer dann häufig kräftiger drücken muss, um nicht in die Stoßstange des vorderen Fahrzeugs zu rollen. Obwohl von Fahrern häufig angewendet, ist diese Methode eigentlich die schlechtere, denn sie erfordert viel Aufmerksamkeit und führt zu unangenehmen Rucklern, die nicht sein müssen.
– Regressives Bremsen bedeutet, die Bremse erst stark zu drücken, um schnell an Geschwindigkeit zu verlieren und dann sanft, aber sicher in Richtung Vordermann bzw. Haltelinie zu rollen und schließlich zum Stehen zu kommen. Für Anfänger ist diese Methode sehr zu empfehlen, da sie sich dafür eignet, das beherzte durchdrücken des Bremspedals zu trainieren. Die Geschwindigkeit ist am Anfang des Bremsvorgangs niedriger, dadurch sinkt das Risiko von Gefahrensituationen und der typische Ruck am Ende des Bremsvorgangs entfällt komplett.
Einziger Nachteil: Wer am Anfang zu stark „in die Eisen steigt“, muss möglicherweise noch einmal Gas geben, damit überhaupt genügend Energie zum Rollen vorhanden ist.
Fazit
Wer sich ein wenig mit dem Bremsweg und den Faktoren, die ihn beeinflussen, auseinandersetzt, kann nicht nur eine Menge lernen, sondern auch zu einem besseren Fahrer werden. Entscheidend ist aber nicht, dass man beispielsweise die genauen Formeln auswendig kennt, sondern das man ein Gefühl dafür hat, in welchen Situationen sich der Bremsweg verschlechtern kann und wo besondere Aufmerksamkeit gefordert ist. Auch der technische Aspekt sollte nicht unterschätzt werden. Immerhin gibt es nicht umsonst regelmäßig vorgeschriebene Wartungs- und Prüfintervalle. Wer die ignoriert riskiert nicht nur hohe Strafen, sondern auch sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen.
Weblinks: ADAC
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